Black-Out, kein Strom (KI-Bild)
Berlin, September 2025. Es ist 3:30 Uhr morgens, als zwei Strommasten am Königsheideweg in Flammen stehen. Die Feuerwehr rückt aus, doch die Schäden sind bereits immens: 50.000 Haushalte im Südosten der Hauptstadt sind ohne Strom. Ampeln blinken nicht mehr, Straßenbahnen stehen still, Pflegeheime kämpfen mit Notstromaggregaten. Ein gezielter Brandanschlag – politisch motiviert, wie ein Bekennerschreiben nahelegt – hat das Berliner Stromnetz ins Wanken gebracht. Es ist der größte Stromausfall seit Jahrzehnten. Doch es ist nicht der erste.
Bereits am 5. März desselben Jahres war es in Treptow-Köpenick zu einem Stromausfall gekommen. Damals war ein beschädigtes Kabel die Ursache, mehrere Ortsteile lagen stundenlang im Dunkeln. Auch 2019 war Köpenick betroffen – ein Bagger hatte ein zentrales Kabel durchtrennt, 34.000 Haushalte waren über 30 Stunden ohne Strom. Und wer glaubt, solche Ereignisse seien neu, irrt: Die Geschichte der Berliner Stromversorgung ist reich an dramatischen Momenten.
Rückblende: Berlin 1992 – als der Westen dunkel wurde
Am 5. Februar 1992 fiel in der westlichen Stadthälfte Berlins großflächig der Strom aus. Besonders betroffen war der Süden – rund um den Zoologischen Garten war es stockfinster. U-Bahnen standen still, Ampeln fielen aus, das Geschäftsleben kam zum Erliegen. Damals war das Stromnetz von West-Berlin noch autark vom Umland. Ein technischer Defekt genügte, um die Stadt lahmzulegen. Die BVG versuchte mit allen verfügbaren Bussen die Fahrgäste zu transportieren, während Friseursalons bei Kerzenlicht weiterarbeiteten und Köche ihre Pizzaöfen gegen Gasherde tauschten.
Silvester 1978: Die halbe DDR im Dunkeln
Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Verwundbarkeit der Stromversorgung stammt aus der DDR. In der Silvesternacht 1978 feierten rund 1.500 Gäste im Luxushotel „Panorama“ in Oberhof ein rauschendes Fest. Prominente wie Manfred Krug, Armin Müller-Stahl und Frank Schöbel waren zugegen. Doch während drinnen getanzt wurde, zog draußen eine Kaltfront aus Skandinavien heran. Schneestürme legten Straßen und Bahnlinien lahm, die Braunkohleversorgung – Rückgrat der DDR-Energie – brach zusammen.
Was als harmloser Stromausfall begann, entwickelte sich zu einem der größten Blackouts in Mitteldeutschland. Die Bezirke Suhl, Gera und Erfurt wurden absichtlich vom Netz genommen, um einen Kollaps zu verhindern. In Krankenhäusern funktionierten Notstromaggregate nicht, Hochöfen brannten aus, Menschen froren in ihren Wohnungen. Auch das Hotel „Panorama“ lag nach Mitternacht im Dunkeln – bei minus 28 Grad versuchten Kinder über die vereiste Freitreppe zu ihren Eltern zu gelangen.
Europas Stromnetz: Stärke durch Verbindung – und Risiko
Heute ist Deutschland Teil eines europäischen Verbundnetzes. Diese Vernetzung erhöht die Versorgungssicherheit – aber auch die Anfälligkeit. Ein Fehler in einem Land kann sich wie ein Dominoeffekt ausbreiten. So geschehen im November 2006, als eine fehlerhafte Abschaltung in Deutschland zu einem Stromausfall in mehreren europäischen Ländern führte.
Die Digitalisierung bringt zusätzliche Risiken. Steuerungssysteme sind vernetzt, automatisiert – und damit potenzielle Ziele für Hacker. Die Bundesnetzagentur betont zwar die hohe Versorgungssicherheit in Deutschland, doch Experten warnen: Die Komplexität des Systems erschwert schnelle Reaktionen auf Störungen.
Was passiert, wenn das Netz fällt?
Ein großflächiger Stromausfall – ein sogenannter Blackout – ist mehr als ein technisches Problem. Es ist ein gesellschaftlicher Ausnahmezustand. Kommunikationsnetze brechen zusammen, Supermärkte schließen, medizinische Versorgung wird zur Herausforderung. In Berlin mussten im September 2025 Patienten aus Pflegeheimen evakuiert werden, weil Beatmungsgeräte ausfielen. Die Polizei richtete mobile Wachen ein, Lautsprecherwagen informierten die Bevölkerung.
Und wie sicher ist das Netz?
Technisch gesehen ist das deutsche Stromnetz eines der stabilsten weltweit. Redundante Leitungen, automatische Schutzsysteme und regelmäßige Wartungen sorgen für hohe Verfügbarkeit. Doch absolute Sicherheit gibt es nicht. Der Berliner Katastrophenexperte Thomas Leitert warnt: „Nicht einmal eine Handvoll Personen würden ausreichen, Berlin stromlos zu machen – und zwar komplett.“
Die Bundesregierung sieht die Gefahr eines flächendeckenden Blackouts als gering an. Doch die Ereignisse zeigen: Auch lokale Ausfälle können massive Auswirkungen haben. Und sie werfen die Frage auf, wie gut wir wirklich vorbereitet sind. | mit Ki
Faktenliste: Die größten Stromausfälle seit 1950
Berlin
- Februar 1992: Stromausfall in West-Berlin, besonders südlich vom Zoo; U-Bahnen und Ampeln betroffen
- Februar 2019: Köpenick ohne Strom für 30 Stunden, 34.000 Haushalte betroffen
- 5. März 2025: Stromausfall durch Kabelschaden in Treptow-Köpenick
- 9. September 2025: Brandanschlag auf Strommasten, 50.000 Haushalte im Raum Adlershof betroffen
Deutschland
- Silvester 1978: Katastrophenwinter in der DDR, Blackout in Suhl, Gera und Erfurt; Hotel Panorama betroffen
- November 2005: Münsterland – Schneesturm zerstört 50 Strommasten, Tausende Haushalte tagelang ohne Strom
- November 2006: Fehlerhafte Abschaltung in Norddeutschland führt zu europaweitem Stromausfall
Weltweit
- 9. November 1965: Nordost-USA und Kanada – 30 Millionen Menschen betroffen, 13 Stunden ohne Strom
- 13. Juli 1977: New York City – Stromausfall durch Blitzeinschlag, Plünderungen und Unruhen
- 13. März 1989: Quebec – Sonnensturm verursacht Stromausfall bei 6 Millionen Menschen
- 14. August 2003: Nordost-USA und Kanada – größter Stromausfall Nordamerikas, über 50 Millionen Menschen betroffen