Angelika Hießerich-Peter an der Saarschleife
Im Gespräch mit Angelika Hießerich-Peter
NewsMark: Wer oder was ist der „Bundesverband Liberaler Mittelstand e.V – Bundesvereinigung“, welche Ziele verfolgt der Verband und wie steht dieser im Verhältnis zur FDP?
Hießerich-Peter: Die Bundesvereinigung des Liberalen Mittelstandes, eine der Vorfeldorganisationen der FDP, steht für neue wirtschaftspolitische Ziele: klare Regeln statt Bürokratie, Verantwortung statt Anspruchsdenken, Freiheit statt Fürsorgestaat.“
Wir liberalen Mittelständler sprechen uns gegen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft aus, verlangen ein Moratorium für Subventionen und absolute Technologieoffenheit. Wir wollen einen radikalen Befreiungsschlag wie das ‚Entfesselungsgesetz‘ der Niederlande: Für jede neue Vorschrift müssen zwei alte entfallen.
Zu den Forderungen meiner Organisation gehören die Wiedereinführung der Zumutbarkeitsregelungen im Sozialgesetz, technologieoffene KI-Regelungen statt grüner Verbotsmentalität und eine Rückkehr zu stabilitätsorientierten Geld- und Fiskalpolitik.
NewsMark. Sie sind eine erfolgreiche Unternehmerin eines Hotelbetriebes. Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Herausforderungen im Hotel- und Gastronomiebereich und was sollte aus Ihrer Sicht verändert werden?
Hießerich-Peter: Für uns gilt dasselbe wie für viele andere Mittelständler: Wir brauchen eine konsequente Entbürokratisierung, erheblich weniger Verwaltungsaufwand und eine Tourismuspolitik, die uns fördert und keine Knüppel zwischen die Beine wirft. Ein negatives Beispiel für meinen Betrieb und unsere Region aus dem letzten Jahr: Eines unserer wichtigsten Standbeine ist der Fahrradtourismus. Trotzdem hat der Landesbetrieb Mobilität den zentralen touristischen Radweg entlang der Saarschleife mitten in der Saison für Bauarbeiten gesperrt. Die Sperrung dauerte gute drei Monate an, also die Hälfte der Radfahrersaison. An den Tourismus hat dabei niemand gedacht.
Eine andere Herausforderung ist der Personalmangel, insbesondere für klassische Dienstleistungen im Service oder in der Zimmerreinigung. Angesichts des Bürgergeldes fehlt etlichen potenziellen Kandidaten der Wille, morgens früh aufzustehen und mit eigener Energie für ein auskömmliches Einkommen zu sorgen. Durchsichtige politische Forderungen nach weiterer Erhöhung des Mindestlohns treiben immer mehr Betriebe des Gastgewerbes an den Rand ihrer Überlebensfähigkeit. Ein letzter wichtiger Punkt ist, gerade in der Speisegastronomie, die versprochene Senkung des MWSt-Satzes auf 7%. Es wäre ein Gebot der Fairness, einen einheitlichen MWSt-Satz für den Verkauf von Speisen festzulegen. Es kann nicht sein, dass die Gastwirtschaft z.B. für einen Salatteller, der im Restaurant verzehrt wird, 19% MWSt abführen muss, während der gleiche Salat, beim Discounter in der Plastikverpackung gekauft, nur mit 7% besteuert wird. Hier ist es endlich an der Zeit, die Rahmenbedingungen für alle Player einheitlich zu gestalten. Die Betriebe brauchen nach den immensen Kostensteigerungen für Energie und Personal dringend eine Entlastung. „Für zahlreiche Gastronomiebetriebe, vor allem auf dem Land, ist das mittlerweile eine Überlebensfrage.“.
Newsmark: Bisher galten die Liberalen als die Partei der Wirtschaft bzw. des Mittelstandes. Doch hat der Ruf in der Bevölkerung massiv gelitten, so, dass der FDP die Wirtschaftskompetenz abgesprochen wurde. Was muss, aus Ihrer Sicht, getan werden, damit die Liberalen diese Kompetenz wieder zurück erlangen?
Hießerich-Peter: Innerhalb der „Ampel“ hat die FDP, als die Mittelstandspartei, viel zu lange zu den ideologischen Irrwegen der Grünen und zur Sozialromantik der SPD geschwiegen. Die CDU hat für ihr – mittlerweile mehrfach gebrochenes – Versprechen einer soliden Haushaltspolitik Wählerstimmen zu Lasten der FDP erhalten.
Die Menschen spüren schon jetzt, dass die FDP im parlamentarischen Betrieb fehlt. Die CDU ist in Wirtschaftsfragen zur Beliebigkeit der Merkel-Jahre zurückgekehrt. Frau Reiche mag richtige Ansätze haben, aber das Duo Bas-Klingbeil setzt auf ein fröhliches ‚weiter so‘ bei den sozialen Wohltaten. Die FDP ist dabei, ihr eigenes Versagen aufzuarbeiten, um wieder als kompetente, aber keineswegs eindimensionale, Wirtschaftspartei ernstgenommen zu werden.
NewsMark: Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand, der mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen hat. Ist Deutschland noch das Heimatland des Mittelstandes?
Hießerich-Peter: Dass die wahren Stützen der deutschen Wirtschaft aus eher kleinen Betrieben kommen, wird nicht ausreichend kommuniziert. Beispielsweise kann sich im Maschinenbau ein sogenannter Hidden Champion, ein mittelständischer Weltmarktführer, schon hinter der nächsten Straßenecke verbergen. Wir müssen es uns selbst anrechnen, in den letzten Jahren als Mittelständler nicht lauter und vor allem aktiver gewesen zu sein. Ja es stimmt, der Mittelstand kam im Wahlkampf nicht genügend vor – mit der Folge, dass er jetzt in der Bundespolitik keine Stimme hat.
NewsMark: Sie sind die Landesvorsitzende der Liberalen im Saarland. Das Saarland ist ein Industrieland. Stahl, Maschinenbau, Autozulieferer. Aber wie lange noch? Treibt die Zollpolitik von Donald Trump das Saarland in den Ruin?
Hießerich-Peter: Es ist weniger die Zollpolitik von Donald Trump, die dem Saarland Kopfzerbrechen bereitet. Zu lange hat das Saarland in der Wirtschaftspolitik den Schwerpunkt auf die Industrie gesetzt und dabei den Mittelstand vernachlässigt. Mit der starken Konzentration auf die Automobilindustrie hat das Land es strategisch versäumt, sich zu diversifizieren. Klar ist – die Entscheidungen über die Zukunft der Automobilindustrie – von Ford bis ZF – werden leider nicht im Saarland sondern anderswo getroffen. Die Entscheidung der EU, das Ende des Verbrennermotors politisch einzuläuten ist es, was das Land vor riesige Herausforderungen stellt. Dabei ist nicht der Verbrenner das Problem sondern das, was darin verbrannt wird. Hier wurden zahlreiche Chancen vertan, Pilotprojekte zur Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen im Saarland auf den Weg zu bringen. Das Land muss nun die Rahmenbedingungen schaffen, die seine Unternehmen dabei unterstützen, neue Märkte und Geschäftsfelder zu erschließen.
NewsMark: Wechselnde Zölle und somit keine Planbarkeit für Unternehmen, hohe Energiekosten, Fachkräftemangel, dauerhafte Steuerbelastung, demographischer Wandel und Abwanderung von jungen Talenten – um nur einige Aspekte zu nennen. Das sind alles Ergebnisse von alten Denkmustern in der Vergangenheit. Welche Denkweisen brauchen wir für die Zukunft, damit der Mittelstand wieder gestärkt wird?
Hießerich-Peter: Vereinfachung, Verschlankung und gezielte Förderung. Eine Verfahrensbeschleunigung ist auf allen Ebenen geboten. Auftragsvergaben der Öffentlichen Hand müssen erheblich vereinfacht werden.
Als Mittelstand wünschen wir uns eine Verwaltung, die Genehmigungen mit modernen Technologien, idealerweise unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die effizient gestaltet und für die bessere Steuerung von Projekten sorgt. Universitäten und andere akademische Einrichtungen, bisher auf die Großindustrie fixiert, sollten sich mittelständischen Bedürfnissen öffnen – zum Nutzen beider Seiten.
NewsMark: Was muss insgesamt getan werden, damit Deutschland als Exportnation wieder international wettbewerbsfähiger wird?
Hießerich-Peter: Deutschland muss seine Infrastruktur modernisieren, damit es wieder ein attraktiver und wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort wird. Zudem ist Verlässlichkeit in politischen Entscheidungen gefragt. Das würde unternehmerisches Engagement und privatwirtschaftliche Investitionen anstoßen und damit den Strukturwandel zu neuen, Betrieben und Dienstleistungen fördern.
NewsMark: Vielen Dank für das Gespräch | Interview: Christian Grosse
Über Angelika Hießerich-Peter: Unternehmerin im Hotelgewerbe, Saarländerin, Jahrgang 1964, Mutter und Großmutter, war erste weibliche Bürgermeisterin von Merzig, FDP-Landesvorsitzende an der Saar und im Sommer diesen Jahres als Bundesvorsitzende des Liberaler Mittelstand e.V. – Bundesvereinigung bestätigt.